Nach der Wahl ist vor der Wahl – und nu?
Es kam, wie es kommen musste, die AfD zieht erstmalig als Opposition in den Landtag ein. Sämtliche Eklats innerhalb der Partei und skandalöse, rechtsradikale Aussagen konnten den Wahlerfolg nicht mindern – im Gegenteil. Auch die Anpassung der CDU und anderer Parteien an die Forderungen der AfD waren nur noch ein letzter Hilfeschrei und verlagerte nicht nur die jetzige Politik nach rechts, sondern führte zu einem weiteren Erstarken der AfD.
Kein Mensch, der ein bisschen politischen Realitätssinn beweist, hätte erwartet, dass die Landtagswahlen am vergangenen Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern anders ausgehen. Warum? Es wäre naiv gewesen zu glauben, dass der AfD-Trend plötzlich abebbt, nur weil weniger Geflüchtete nach Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland kommen, nach und nach Notunterkünfte geschlossen werden, da es einfach keine Auslastung mehr gibt. Rassitische Einstellungen bei einem Drittel der deutschen Bevölkerung, besorgniserregende Verrohung und (verbal)Radikalisierung des gesellschaftlichen Diskurses nach rechts sind nur einige Zustände, die das Wahlergebnis zu keiner Überraschung machen. Es ist scheinbar kein gesellschaftliches Tabu mehr, rassistische Äußerungen zu tätigen oder mit bekennenden Neonazis wohlgesinnt zu sein und es ist augenscheinlich auch nicht mehr verpönt, gegen Menschen zu hetzen, die noch schwächer sind als man selbst. Die Wähler_innen wollten endlich eine Partei, die für soziale Gerechtigkeit sorgt, natürlich zuerst für die “Biodeutschen”, und wählen dann eine nationalkonservative Partei, deren Wahlprogramm ein buntes Potpourri aus Geschenken an die Wirtschaft enthält.
Für den Wahlbezirk Neubrandenburg sehen die Ergebnisse wie folgt aus:
Wahlbezirk 02 / Neubrandenburg 1
15.314 gültige Stimmen bei 59,1% Wahlbeteiligung
Erststimmen Podszuk 3488, entspricht 22,8%
Zweitstimmen AfD 3355, entspricht 21,7%
Zweitstimmen NPD 363, entspricht 2,4%
Zweitstimmen ALFA 43, entspricht 0,3%
3.761 rechte Wähler_innen bei den Zweitstimmen
Wahlbezirk 03 / Neubrandenburg 2
15.944 gültige Stimmen bei 61,5% Wahlbeteiligung
Erstimmen Komning 3557, entspricht 22,3%
Zweitstimmen AfD 3363, entspricht 21%
Zweitstimmen NPD 353, entspricht 2,2%
Zweitstimmen ALFA 54, entspricht 0,3%
3.770 rechte Wähler_innen bei den Zweitsimmen
Das macht in absoluten Zahlen 7.531 rechte Wähler_innen bei den Zweitstimmen in Neubrandenburg!
Wie passt das zusammen? Und nun, wie geht es weiter? Müssen wir jetzt über 20% der Wähler_innen aufgrund Ihrer Entscheidungen beleidigen? Sollen wir aufgeben? Auf gar keinen Fall!
Wir betrachten das Wahlergebnis und das Erstarken nationalistischer Denkweisen natürlich mit Sorge und können bzw. werden dies auch in Zukunft nicht unkommentiert hinnehmen. Es zeigt uns, dass es genau jetzt an der richtigen Zeit ist, Antworten zu liefern, in die Offensive zu gehen und weiterzumachen – im Kampf gegen Menschen, die versuchen, uns alle gegeneinander auszuspielen.
Zukunftsängste und Prekarisierung sind Nährboden für Parteien, die versuchen, diese in Form von Nationalismus und Spaltung zu kanalisieren. Aber Moment…
Erklärt und analysiert haben wir und andere in den letzten Wochen genug, uns hilft jetzt auch kein reaktionäres “Mimimi” mehr, wir wussten, was auf uns zukommt.
Wir bleiben am Ball, ob virtuell oder auf der Straße, und wir hoffen, ihr habt genauso viel Lust, genau dort anzuknüpfen, auch wenn es hier und da sicher unangenehm werden kann.
Wir freuen uns, dass inzwischen viele Leute erkannt haben, wie wichtig es ist, Flagge zu zeigen und auch abseits unserer Aufrufe eigene Ideen entwickelt und Dinge auf die Beine gestellt haben – Ihr seid Toll! Es kommt nur eine Diskussion zustande, wenn genug Gegenströmungen zur allgemeinen Stimmung existieren – dies geht natürlich nicht nur im Internet. Daher werden wir uns weiterhin darüber Gedanken machen, wie wir solidarisch mit euch auch in Zukunft eine politische Masse auf die Straße bringen können.
Es bleibt dabei: Hass, Rassismus, Ellenbogengesellschaft – damit sind wir nicht einverstanden und das werden wir gemeinsam mit euch in Neubrandenburg zeigen.